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In Zihlschlacht ist Bergsteigen gross im Kommen

Zu zweit geht es besser

Es tut gut, seinen persönlichen Mount Everest zu besteigen 

Nein, blutige Anfänger an der Wand sind sie nicht: Die beiden Männer, Mitte 40 respektive Mitte 50, kennen auch im wahren Leben Bewegungen in der Vertikalen. Herr K. ist Sportlehrer, Herr Q. klettert als Servicetechniker bei einem Liftproduzenten oft genug über Schächte und Seilzüge. Doch jetzt sind die beiden beeinträchtigt und brauchen die Rehabilitation, um sich für den Alltag wieder fit zu machen. Und Rehabilitation heisst für sie auch klettern.

An der langen Mittelwand trainieren sie nebeneinander regelmässige Bewegungen von Beinen und Armen an den farbigen Griffsteinen. Oder sie traversieren hintereinander möglichst hoch über alle drei Wände. Wenn die Kraft dann noch reicht, wird die Mittelwand mit der Winde in die überhängende Position gebracht: Sich an der oberen Kante festzukrallen und dann an der überhängenden Wand nach passenden Tritten für die Füsse zu suchen, ist die grösste Herausforderung.

Zu zweit geht es besser

Der Physiotherapeut Simon Hirsiger freut sich: „Hier spornen sich zwei gegenseitig an.“ Anfangs war dies anders. Während der eine den ersten Versuch bereits nach 15 Minuten für beendet ansah, hatte sich der andere in dieser Zeit auf Vollgas aufgewärmt und zog seinen Kletterpartner dann mit. Parallel zum Ansporn muss aber auch mehr Vorsicht geboten sein, meint Hirsiger. Denn wer sich zu sehr herausgefordert fühlt, überschätzt schnell einmal seine physischen Möglichkeiten. Doch inzwischen trainieren die beiden Männer gemeinsam mit gleicher Ausdauer. Sie haben sichtlich Spass miteinander und üben gerne, weil sie jeder Schritt ein bisschen an ihre Tätigkeiten im beruflichen Alltag erinnert – und sie jeder Schritt dem Ziel, wieder in diesen Alltag einzusteigen, näherbringt.

Die grosse Mehrzahl der Patienten und Patientinnen klettert noch alleine – allerdings immer in Begleitung eines Therapeuten. Für wen eignet sich die Kletterei denn? „Besonders Freude daran haben Leute, die schon eine Vielzahl an Therapien gemacht haben und so zu etwas Neuem kommen“, weiss Hirsiger. Denn das Klettern an der Wand macht Spass und spornt damit zu physischen Leistungen an.

Eine Therapie, viele Ziele

Das therapeutische Klettern ist besonders vielseitig. Es geht zwar zurück auf die Skoliose-Therapie, die Übungen also, mit denen einer seitlichen Verkrümmung der Wirbelsäule entgegengewirkt wird. Dabei werden die rechte sowie linke Körperseite abwechselnd verlängert und verkürzt. Doch auch die Kraft an den Armen kann mit dem Klettern verbessert werden – diese spüren die Anfänger immer als erstes. An zweiter Stelle kommen laut Hirsiger die Waden, die bei der Balancearbeit auf den Griffsteinen am meisten beansprucht werden. Mit Tempoaufgaben kann die Koordination geübt werden, mit den verschiedenen Farben der Steine kommen kognitive Aspekte ins Spiel. Die Kletterwände eigenen sich zudem für Stabilisationsübungen.

Der Einstieg ist leicht

Eine spezielle Ausrüstung brauchen die Patienten und Patientinnen nicht – bequeme Sportschuhe eignen sich fürs Kletter-Training. Und alle müssen sich erst einmal mit der Flut an Farben und dem scheinbaren Durcheinander von Griffsteinen an den Wänden auseinandersetzen und anfreunden. Gestartet wird dann an den leicht positiv geneigten Seitenwänden. Es folgt eine Analyse der Bewegungen und Fehltritte, um die je optimale Klettertherapie zu definieren.

Die Kletteranlage wird heute rege benutzt. Therapeuten aus der Disziplin Physiotherapie und Ergotherapie sind entsprechend geschult und kennen die Möglichkeiten der Einrichtung. Und was wünscht sich der Leiter der Anlage für die Zukunft? „Dass es mehr Patienten und Patientinnen zu zweit versuchen. Denn der Spassfaktor und die soziale Komponente dabei sind einfach toll.“ Das Training zu zweit ist zudem auch äusserst effizient: Zwei Wochen nach dem beschriebenen Gespräch konnte Herr K. entlassen werden und ist nun auf dem besten Weg zurück in den Alltag, zurück zu den Dingen, die er liebt.